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Von Frederik C. RoederGesundheitsökonom und Geschäftsführer des Consumer Choice Centers.

Im Jahr 2070 wird die Welt von etwa 10,5 Milliarden Menschen bevölkert sein. Das bedeutet, dass wir in der Lage sein müssen, zusätzliche 3 Milliarden Menschen zu ernähren. Glücklicherweise hat uns der technische Fortschritt in der Landwirtschaft bereits dabei geholfen, in den letzten hundert Jahren 5,5 Milliarden zusätzliche Menschen zu ernähren, ausgehend von 2 Milliarden Menschen, die 1920 die Erde bevölkerten. Nach Angaben des Welternährungsgipfels ist die Zahl der Hungernden in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen seit 1992 um über 200 Millionen von 991 Millionen auf 790,7 Millionen zurückgegangen. Forscher der Stanford University haben berechten: Wenn wir weiterhin die landwirtschaftliche Technik aus dem Jahr 1960 einsetzen würden, benötigten wir landwirtschaftliche Flächen von der Größe Russlands, des größten Landes der Welt, um die gleichen Erträge zu erzielen, die wir heute dank des Einsatzes moderner Technik brauchen. Dies ist ein großer Erfolg, stellt uns aber auch die Aufgabe, die Situation der verbliebenen Kinder und Erwachsenen zu verbessern, die immer noch täglich mit Hunger konfrontiert sind.

Leider scheint die aktuelle politische Debatte in einer der reichsten Regionen der Welt die vor uns liegenden Herausforderungen zu ignorieren. Sie zielt darauf ab, dass wir uns einer weniger effizienten Landwirtschaft zuwenden. Die Strategie Farm to Fork (F2F) der Europäischen Union will bis zum Ende dieses Jahrzehnts ein ‘nachhaltigeres’ Ernährungssystem zu schaffen. Die Ideen, die derzeit kursieren, deuten jedoch eher auf ein anderes Ergebnis hin: Nicht nur ist unklar, ob die neue Strategie nicht im Ergebnis dem Ziel der Nachhaltigkeit eher entgegenlaufen wird. Es steht auch dahin, ob damit womöglich nicht nur Europa, sondern die ganze Welt in eine Nahrungsmittelkrise mit massiven geopolitischen Auswirkungen gestürzt werden könnte.

Die EU plant, den Anteil der ökologischen Landwirtschaft an der gesamten landwirtschaftlichen Produktion von derzeit 7,5% auf 25% zu erhöhen. Zusätzlich plant sie eine Reduzierung der Pestizide um 50%. Dabei umfasst die F2F-Strategie keine neuen Technologien, die es den Landwirten ermöglichen würden, die gleichen Erträge zu erzielen, die sie mit dem derzeitigen Pestizideinsatz erzielen. Unter anderem wegen der geringeren Erträge und der daraus resultierenden Notwendigkeit, mehr Land für die landwirtschaftliche Produktion bereitzustellen, ist die biologische Landwirtschaft in der Regel ungeeignet für die Deckung des weltweiten Nahrungsmittelbedarfs.

Was bedeutet dies für die Ernährung von 10,5 Milliarden Menschen im Jahr 2070?

Mehr ökologischer Landbau in Europa bedeutet geringere Erträge und höhere Preise für Verbraucher. Die Knappheit in Europa wird wahrscheinlich durch zusätzliche Lebensmittelimporte aus anderen Teilen der Welt ausgeglichen werden. Dies wird zu einem weltweiten Anstieg der Lebensmittelpreise führen. Für wohlhabende Regionen der Welt, wie Europa, wird dies für die Verbraucher eine ärgerliche Einschränkung sein. Für Menschen, die bereits am Rande der Existenz leben und Hunger leiden, sind die Folgen katastrophal.

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) schätzt, dass Landwirte weltweit 30 bis 40 Prozent ihrer Ernten aufgrund von Schädlingen und Krankheiten verlieren werden, wenn sie keine Pflanzenschutzmittel wie Insektizide oder Herbizide zur Hand haben. Bis zu 28 Prozent aller Leberkrebs-Erkrankungen weltweit können auf Aflatoxine, eine Mykotoxinart, zurückgeführt werden. Wenn wir den Landwirten nicht erlauben, Fungizide einzusetzen, die die Exposition des Menschen gegenüber diesen Toxinen verringern, riskieren wir weiterhin Millionen von Menschenleben.

In den letzten 100 Jahren hat sich gezeigt, dass Pestizide ein notwendiges Übel sind, um höhere und besser vorhersehbare Ernteerträge zu erzielen. In den vergangenen 60 Jahren haben wir einen Rückgang des Pestizideinsatzes pro Hektar um 40 Prozent erlebt, und viele (weniger sichere) Substanzen wurden schrittweise aus dem Verkehr gezogen. Das Aufkommen gentechnisch veränderter Nutzpflanzen und die jüngsten Durchbrüche bei der Genbearbeitung (Genschere) ermöglichen, dass wir noch weniger Chemikalien auf unseren Feldern versprühen müssen.

Etwa 20 Prozent der Weltbevölkerung lebt in Südasien. Aufgrund des indischen Kastensystems leben und bewirtschaften die Bauern der untersten Kasten Land, das mit größerer Wahrscheinlichkeit regelmäßig überschwemmt wird, was sich nachteilig auf ihre Reisernte auswirkt. Dank gentechnisch veränderter Kulturen kann der Reis bis zu zwei Wochen unter Wasser sein und dennoch hohe Erträge bieten. Solche Technologien bedeuten für die Armen und Hungrigen ein Wendepunkt. Es gibt kein humanitäres Argument gegen Gentechnik, aber ein starkes für sie.

Leider wenden sich viele Kritiker von Pestiziden auch gegen den Einsatz von Gen-Editing. Dies führt zu einem Dilemma, das letztlich zu einer verminderten Lebensmittelproduktion führt, während die weltweite Nachfrage nach Lebensmitteln weiter steigen wird. Man muss kein Wirtschaftswissenschaftler sein, um zu verstehen, dass dies zu höheren Lebensmittelpreisen führen wird.

Wir alle haben die dramatische Flüchtlingskrise im Jahr 2015 gesehen: das schreckliche Leid; ertrinkende Kinder und Frauen im Mittelmeerraum. Auch wenn die Politik der EU diese Krise nicht ausgelöst hat, könnte unsere künftige Agrarpolitik in Teilen Afrikas und Asiens weit verbreitete Hungersnöte verursachen. Sie könnten eine Migrationswelle auslösen, wie wir sie seit der Völkerwanderung im 5. und 6. Jahrhundert nicht mehr erlebt haben. Geschichte zeigt leider, dass solche massiven unkontrollierten Migrationsströme in der Regel auch mit Krieg und Unruhen einhergehen.

Die „westliche“ Idee, Landwirtschaft ökologischer zu gestalten, wird zu einer weltweiten Inflation der Lebensmittelpreise führen und denen schaden, die bereits jetzt leiden. Wir teilen in der Tat alle einen Planeten und brauchen daher eine vernünftige Lebensmittelpolitik, die anerkennt, dass Hunger immer noch ein Problem ist, mit dem 10 Prozent der Weltbevölkerung täglich konfrontiert sind. Eine substantielle Anpassung der künftigen Agrarpolitik der EU ist nötig, um Armut und Hunger zu mildern. Die „Farm to Fork“-Strategie der EU muss dem Rechnung tragen und darf unsere Fähigkeit, eine ständig wachsende Bevölkerung zu ernähren, nicht gefährden.

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