Die EU hat bei den Verhandlungen mit den Impfstoffherstellern die Preise gedrückt. Das dürfte sich im Nachhinein als eine fatale Fehlentscheidung erweisen. Ein Gastbeitrag.
Fred Roeder ist Gesundheitsökonom und Geschäftsführer des Consumer Choice Center, eines internationalen Verbraucherverbands mit Büros in Europa, Amerika und Asien.
Der globale Wettlauf um die Impfung aller Risikogruppen und schließlich der gesamten Weltbevölkerung gegen Covid-19 ist in vollem Gange. Einige Länder haben sehr aggressiv den Preis pro Impfung heruntergehandelt, während andere bereit waren, mehr pro Dosis zu zahlen, um schneller an die Impfstoffe zu gelangen. Wer wie die Europäische Union (EU) die Preise pro Impfstoff so sehr heruntergehandelt hat wie kaum ein anderer Staat, könnte am falschen Ende gespart haben.
Die EU zahlt lediglich halb soviel pro Dosis des AstraZeneca-Impfstoffs wie Großbritannien, und mit zwölf Euro ein Drittel weniger für den Biontech/Pfizer-Impfstoff im Vergleich zu den Briten. Israel, das wahrscheinlich das erste Land sein wird, das seine gesamte Bevölkerung durchimpft, hat etwa drei Mal soviel für den Impfstoff von Pfizer bezahlt.
Nehmen wir der Einfachheit halber an, die EU würde für alle 450 Millionen Einwohner nur den mRNA-Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech verwenden. Da der Impfstoff zwei Impfungen im Abstand von 21 Tagen erfordert, müssten insgesamt 900 Millionen Dosen gekauft werden. Bei dem derzeit ausgehandelten Preis würde dies die EU (und ihre Mitgliedstaaten) 10,8 Milliarden Euro kosten.
Vorbild Israel
Bei dem höheren Preis, den Israel zu zahlen bereit ist, käme die EU auf eine Rechnung von 36 Milliarden Euro. Das scheint extrem viel Geld zu sein – ist es bei genauer Betrachtung aber nicht. Denn pro Einwohner in der EU sind das gerade einmal 80 Euro. Die Bundesregierung hat erst im Dezember knapp sechs Milliarden Euro für eine große Schutzmaskenbestellung ausgegeben. Bei zwei Impfdosen zu jeweils 36 Euro pro Einwohner in Deutschland kommt man ebenfalls auf rund sechs Milliarden Euro. Wahrscheinlich wäre das eine bessere Investition gewesen als der Kauf von Schutzmasken.
Noch deutlicher wird die Fehlentwicklung, vergleicht man die Kosten für Impfungen mit jenen der Corona-Hilfsmaßnahmen auf EU-Ebene. Im Dezember vergangenen Jahres einigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU darauf, zusätzlich 700 Milliarden Euro als Covid-Konjunkturprogramm in das Mehrjahresbudget der EU aufzunehmen. Das sind etwa 1500 Euro pro Einwohner und damit fast 20 Mal so viel wie man für einen schnelleren Zugang zu einem der führenden Impfstoffe hätte aufwenden müssen, wenn man bereit gewesen wäre, einen Preis pro Dosis zu zahlen wie Israel.
Mit Stand vom 28. Februar liegt die Impfrate in der Bundesrepublik bei mageren 7,4 Impfungen pro 100 Einwohner. Das entspricht zwar dem Durchschnitt in der EU, ist dennoch nur 3,7 Prozent dessen, was nötig wäre, um die gesamte Bevölkerung zu immunisieren. Israel liegt bereits bei 93,5 Impfungen pro 100 Menschen.
Selbst wenn die EU 250 Euro pro Dosis und damit 500 Euro pro Einwohner ausgäbe, zahlte sie am Ende nur ein Drittel dessen, was für den Corona-Wiederaufbaufonds vorgesehen ist.
Falsche EU-Strategie
Wäre es daher nicht besser, schnell auf möglichst viele Impfstoffe zuzugreifen, den Herstellern und Zulieferern einen großen Anreiz zu geben, ihre Produktionskapazitäten hochzufahren und die Bevölkerung im Rekordtempo zu immunisieren? Stattdessen konzentrieren sich die EU und ihre Mitgliedsstaaten darauf, die Pandemie fortzusetzen, auf Steuereinnahmen zu verzichten, die Lockdowns zu verlängern, die Wirtschaftstätigkeit zu lähmen und – das Tragischste – das menschliche Leid durch die Pandemie zu verlängern.
Wenn wir dereinst auf die Pandemie zurückblicken, sollten wir uns nicht wundern, wenn Länder, die einen niedrigen Preis als wichtigsten Erfolgsfaktor bei den Impfstoffverhandlungen anstrebten, am Ende eine viel höhere Rechnung serviert bekommen als die Länder, die hohe Mengen und einen schnellen Zugang zu Impfstoffen als den wichtigsten Indikator für erfolgreiche Impfstoffverhandlungen ansahen.
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