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Der kostenlose Tausch ist kein Nullsummenspiel.

Staaten stehen in gewisser Weise in Konkurrenz zueinander. Zwar ist Handel kein Nullsummenspiel und Handelskriege, Zölle und andere Restriktionen daher kontraproduktiv. Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass unterschiedliche Regulierungsoptionen zu besseren oder schlechteren Ergebnissen führen. Beispielsweise ist ein Staat, der seine Bürger und Unternehmen weniger besteuert, tendenziell wettbewerbsfähiger als ein Staat mit hoher Besteuerung. Ein Bundesland, das die Existenzgründung erleichtert, wird in der Regel mehr Selbständige haben als ein Bundesland, das hohe bürokratische Hürden vorschreibt. Nur in einer völlig freien globalen Marktwirtschaft würden diese regulatorischen Unterschiede verschwinden.

Aber diese Ausgangsposition haben wir nicht. Die Beatles haben sich aufgelöst. Sebastian Vettel wird mit Ferrari nicht Weltmeister, und Eltern lieben manchmal nicht alle ihre Kinder gleich. 

In dieser unvollkommenen Welt stehen Staaten durchaus in Konkurrenz zueinander. Dies führt zu so pathologischen Phänomenen wie Protektionismus.

Eine andere Art von Konkurrenz war vor nicht allzu langer Zeit in zwei baltischen Staaten zu beobachten. In Estland wurde beispielsweise festgestellt, dass sich viele Bürger aufgrund der höheren Alkoholsteuern entschieden, Alkohol nicht im eigenen Land, sondern beim Nachbarn in Lettland zu kaufen. Dies führte vor allem in den Grenzgebieten zu einem regen Handel und die Geschäfte wuchsen wie Pilze aus dem Boden. Die Verluste im estnischen Staatshaushalt zeigten wie so oft Wirkung, und die Regierung beschloss, die Alkoholsteuern 2019 um 251 TP2T zu senken.

Dies löste zunächst eine kleine diplomatische Krise aus. Die Letten waren zunächst bestürzt. Eigentlich hatten sich die beiden Länder schon vor Jahren darauf verständigt, dass Lettland die Alkoholsteuern erhöhen würde, was auch sukzessive geschah. Der Ministerpräsident Lettlands beteuerte zunächst, keinen Alkoholkrieg gegen Estland führen zu wollen. Das mutige Vorgehen der Esten zwang Lettland im Gegenzug dazu, seine Alkoholsteuern zu senken. Das Ergebnis war eine 15%-Ermäßigung der Alkoholsteuern. 

Eine solche Steuersenkung bedeutet nicht zwangsläufig, dass weniger Einnahmen erhoben werden.  

Polen beschloss 2002, die Alkoholsteuern radikal um 30% zu senken, um die „Grauzonen“ zu bekämpfen, in denen Alkohol illegal und unkontrolliert hergestellt wurde. Durch die Steuersenkung verzeichnete der polnische Staatshaushalt erhebliche Einnahmen und konnte einen seit Jahren andauernden Trend umkehren. 2002 brachten die Steuern 3,87 Mld PLN (881 Mio. €) ein, 2003 waren es bereits 4,09 Mld PLN (931 Mio. €) und 2004 kamen dem polnischen Staat 4,56 Mld PLN (1 Mld €) zugute. Ebenso konnten die Grauzonen der unkontrollierten Alkoholproduktion bekämpft werden.

Die Beispiele zeigen zwei Lektionen. Einerseits bedeutet eine Steuersenkung nicht immer einen Verlust an finanziellen Mitteln für den Staat. Andererseits ist es ein geeignetes Instrument für den internationalen Wettbewerb mit wirtschaftlichen Vorteilen für den Verbraucher.

Damit ein solcher Wettbewerb entstehen kann, bedarf es bestimmter Rahmenbedingungen. Bei der Besteuerung bestimmter Waren sind diese Rahmenbedingungen der freie Markt und die Freizügigkeit. Beide Staaten sind Mitglieder der Europäischen Union. Die oben beschriebene Situation konnte nur entstehen, weil es für Esten möglich ist, ohne großen bürokratischen und finanziellen Aufwand nach Lettland zu reisen und dort Waren zu kaufen.

Das Prinzip ist jedoch auf viele Steuerarten anwendbar. So können Länder und Regionen auch gegeneinander antreten, indem sie Lohn- und Einkommensteuern, Kapitalmarktsteuern, Grundsteuern und andere Abgaben senken. Dieses Prinzip zeigt sich auf dem europäischen Kontinent am Beispiel des Schweizer Föderalismus. Dort konkurrieren die Kantone unter anderem mit der Steuerlast. So zahlt man im Kanton Zug, der im Zentrum des Landes liegt, tendenziell weniger Steuern als in den westlichen Gebieten in der Nähe von Frankreich.

Ein größeres Land mit einer föderalen Struktur, die den Steuerwettbewerb begünstigt, sind die USA. Neun Bundesstaaten in den USA (Wyoming, Washington, Texas, Tennessee, South Dakota, New Hampshire, Nevada, Florida, Alaska) erheben keine eigenen Einkommenssteuern. Das ist ein nicht unerheblicher Unterschied zum Bundesstaat Kalifornien, der eine Steuer von 13,31 TP2T erhebt. Unterschiede ergeben sich auch in Details wie dem Verlauf. Staaten wie Illinois, North Carolina oder Minnesota erheben zwar Einkommenssteuern, allerdings in Form einer „Flat Tax“, einer Zeilensteuer.

Auch bei den Umsatzsteuern und anderen Abgaben gibt es erhebliche Unterschiede.

Sowohl in den USA als auch in der Schweiz wählen die Bürger somit zwischen verschiedenen Besteuerungsmodellen und können mit ihrem Einkommen und ihren eigenen Füssen durch die Wahl eines anderen Wohnortes abstimmen.

Dieser Mechanismus ist auch in der EU zu beobachten. Ein solcher Vorteil des europäischen Föderalismus muss erhalten und gestärkt werden. Anstatt Mindeststeuersätze einzuführen (die beispielsweise bereits für die Mehrwertsteuer gelten), sollte die Europäische Union stattdessen den Wettbewerb fördern. Vorteile entstünden nicht nur einzelnen Steuerzahlern in der EU, sondern der Freihandelszone insgesamt. 

Eine niedrigere Besteuerung, die durch Wettbewerb erreicht werden könnte, würde europäische Unternehmen auf dem internationalen Markt wettbewerbsfähiger machen. Die EU sollte also weniger von Solidarität und mehr von Föderalismus und Dezentralisierung im Steuerkontext sprechen. 

Ursprünglich veröffentlicht hier.

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