Der neue Entwurf der EU für nachhaltige Lebensmittelsysteme riskiert, sowohl Verbraucher als auch Landwirte zu verletzen, schreibt Bill Wirtz.
Bis 2030 strebt die Europäische Union eine Vielzahl von Zielen an, so die „Farm-to-Fork" Strategie. Aus politischer Sicht ist das Dokument die Bestätigung eines Trends: Grüne Ideen gewinnen in der Brüsseler Tagespolitik an Bedeutung und erreichen mit dieser Roadmap viele ihrer Ziele.
Im Einklang mit der Biodiversitätsstrategie, die zeitgleich mit der „Farm to Fork“-Strategie vorgestellt wurde, scheint die Von der Leyen-Kommission grüner zu sein als ihre Vorgänger. Aber ist das auch gut für Landwirte und Verbraucher?
Im Mittelpunkt von „Farm to Fork“ steht die Halbierung der Pestizide bis 2030, einschließlich derjenigen, die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) als sicher befunden wurden. Dies sollte auf den ersten Blick Fragen aufwerfen: Wenn diese Produkte bisher sicher waren, warum müssen sie reduziert werden? Wenn sie bisher nicht als sicher befunden wurden, warum wurden sie dann nicht früher verboten?
Das Ziel der Halbierung ist in diesem Sinne nicht nachvollziehbar. Wenn Pflanzenschutzmittel grundsätzlich gesundheitsschädlich sind, dann ist das verbleibende 50% genauso bösartig wie die auslaufenden.
Die Wahrheit ist knifflig. Es gibt eine Diskrepanz zwischen wissenschaftlicher und politischer Rhetorik. Die meisten etablierten Pflanzenschutzmittel werden seit langem als sicher eingestuft, sowohl von unabhängigen Studien als auch von mehreren nationalen und internationalen Institutionen.
Das hat viele nicht daran gehindert, sie ohnehin zu hinterfragen, und das zu Recht. Wissenschaftliche Erkenntnisse ändern sich: Wer neue Erkenntnisse hat, ist verpflichtet, diese im Interesse der Lebensmittelsicherheit vorzulegen. Wissenschaft ist kein statisches Konstrukt, das als einzigartige und absolute Wahrheit in Stein gemeißelt ist.
Für Gegner dieser Mittel ist es keine wissenschaftliche Debatte, sondern eine ideologische Grundsatzfrage. Eingriffe in die Natur werden skeptisch betrachtet, egal wie wichtig sie für die Ernährungssicherung sind.
Diese Aktivisten sollten wissen, dass nicht alles Natürliche gesund sein muss: Zum Beispiel tragen natürlich vorkommende Schimmelpilze Aflatoxine, die für einen großen Teil der weltweiten Leberkrebsfälle verantwortlich sind. In Afrika, 40% aller Leberkrebsfälle werden Aflatoxinen zugeschrieben.
Diese werden seit vielen Jahren mit Fungiziden bekämpft, doch immer mehr dieser Produkte sollen nun verboten werden.
Oft reicht schon ein Gespräch mit einem Landwirt. Momentan klagen die meisten Menschen über ausbleibenden Regen, aber langfristig ist der schrumpfende Katalog erlaubter Pestizide ein echtes Problem. Insekten fressen Bestände auf, egal was die EU-Kommission sagt oder regelt.
Dies führt zu höheren Preisen im Supermarkt, was für viele Geringverdiener verheerend ist, insbesondere angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Schieflage. Für den niederländischen Green Change-Kommissar Frans Timmermans ist dies kein primäres Problem.
In einer Rede vor dem Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung des Europäischen Parlaments am 7. Maisagte er, dass wir uns zu lange an billige Lebensmittel gewöhnt hätten und dass wir einen Paradigmenwechsel in Sachen nachhaltiger Landwirtschaft brauchen.
Wenn die Verbraucher die Folgen solcher Experimente tragen und den Landwirten keine andere Wahl bleibt, als sich den Hürden natürlicher Probleme zu stellen, ist es dann nicht an der Zeit, unsere Agrarpolitik zu überdenken?
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