Exportweltmeister und Wirtschaftsmacht, aber trotzdem Digitalverlierer. Dass Deutschland so schlecht verbunden ist, hat viele Gründe. Hier sind fünf davon, gesammelt von unserem Gastautor Fred Cyrus Roeder, Ökonom und Geschäftsführer des Verbraucherwahlzentren.
Deutschland, die digitale Wüste im Datenverkehr nur im Schneckentempo vorankommt: Aktuell gehört dieses Bild zu jeder guten politischen Diskussion. Dafür, dass sämtliche Politiker die Digitalisierung zur Chefsache machen wollen, sieht es verdammt düster aus. Der phänomenal schlechte Netz- und Breitbandausbau in Deutschland führt sich durch fünf wesentliche Punkte durch.
Erstens fehlen Anreize für langfristige Investitionen. Immer wenn Breitbandlizenzen in Deutschland versteigert werden freut sich die Staatskasse. Die UMTS-Versteigerungen aus dem Jahr 2000 spülten 50 Milliarden Euro – das entspricht 620 Euro je Bundesbürger – in den Bundeshaushalt. Wer sich aber danach über schlechtes Netz und teure Handyrechnungen beschwerte, sollte sich beim Bundesfinanzminister Eichel beschweren und nicht den Netzbetreibern. Die mussten irgendwie die ausgegebenen Mondsummen wieder einspielen. In der Folge hatte sie kaum einen großen Spielraum für den notwendigen Ausbau des UMTS-Netzes. Die Frequenzen gehen übrigens nach 20 Jahren wieder an den Staat zurück.
Zweites spielt die Bundesrepublik. Höchstes im digitalen Mittelfeld Europas. Neben der Slowakei ist Deutschland mit 91 Prozent eines von zwei EU-Mitgliedern mit einer 3G-Abdeckung von weniger als 95 Prozent. Das bedeutet: Einem von elf deutschen Haushalten fehlt mobiler Internetempfang in akzeptabler Geschwindigkeit. Auf dem Land muss jeder neunte Haushalt auf einen DSL-Anschluss verzichten! Nur 65 Prozent der Haushalte surfen mit 100-Megabit-Anschlüssen – in unseren Nachbarländern Schweiz und den Niederlanden sind es 100 Prozent integriert. Das erscheint besonders erstaunlich, da Deutschland von allen 28 EU-Mitgliedsstaaten am fünft-dichtesten besiedelt ist. Der Netzausbau je Nutzer und Quadratkilometer sollte auch eigentlich günstig sein. Das ist aber nicht so.
Dritte sind die deutschen Markteintrittsbarrieren nur schwer zu überwinden. Obwohl ein gemeinsamer europäischer Binnenmarkt existiert, scheitern kleinere und ausländische Telekommunikationsunternehmen am Einstieg in den deutschen Markt. Die astronomischen Preise für Lizenzen sind nur eines der vielen Hindernisse, die es Startups und kleinere Wettbewerber unmöglich machen, dem trägen und langsamen deutschen Netz auf die Sprünge zu helfen.
Viertens wurde 5G als Chance verpasst. Eine Studie der GSM Association von 2018 schätzt, dass bis 2025 zwei von drei Amerikanern Zugang zum superschnellen 5G-Netz haben werden. In Europa wird es wohl lediglich die Hälfte sein. Aus den bereits genannten Gründen wird diese Zahl in Deutschland eher kleiner als größer. Die Bundesrepublik und Italien verhindern eine weitreichendere Reform der Vergabe von Breitbandlizenzen in der EU. Kurzfristige Staatseinnahmen kommen hier vor längerer Wettbewerbsfähigkeit und schnellerer Internetversorgung im ländlichen Raum.
Fünftens verlieben sich Politiker in die falschen Technologien. Regulierer und Politiker schaffen nicht etwa die Rahmenbedingungen und Standards für zukünftige Innovationen. Im Gegenteil! Sie verheddern sich oft genug in Entscheidungen über konkrete Technologien. Ein besonders trauriges Beispiel ist die Regelung, dass selbstfahrende Autos über die ITS-G5 Technologie kommunizieren sollen. Besser wären technologieneutrale Gesetze, die sämtliche sichere Technologien zulassen. Dies erlaubt deutlich mehr Innovation und bessere Technologien in der Zukunft. Niemand hätte die DVD, Blu-Ray, oder gar Streaming-Dienste erfunden, wäre gesetzlich vorgeschrieben, dass Privatnutzer bewegte Bilder nur von VHS-Kassetten oder gar 8mm-Filmrollen abspielen dürfen.
Um Deutschland von seinem chronischen Datenstau zu heilen, bieten sich gleich mehrere Mittel an. Eine Harmonisierung von Breitbandvergabe in der EU, durch die Lizenzen dauerhaft und vollständig erworben werden, würde Markteintrittsbarrieren niederreißen und gleichzeitig den Kostendruck auf die Netzbetreiber senken. Beides würde sich positiv auf die Netzqualität und die monatliche Telefonrechnung unterscheiden. Gleichzeitig sollten unsere Gesetzgeber die Mauern zwischen den EU-Staaten schleifen und einen echten digitalen Binnenmarkt schaffen. So könnten die Anbieter ohne lähmenden bürokratischen Ballast länderübergreifende Netze in allen EU-Mitgliedstaaten anbieten. In Kombination mit einem technologieneutralen Regulierungsansatz kann sterben Deutschland und Europa vor dem digitalen Verkehrskollaps speichern und auf die Überholspur der Datenautobahn bringen.
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