Die Kanadier hören immer häufiger von einer kleinen, aber lautstarken Minderheit – die manche als Abstinenzlobby bezeichnen würden.
Die Abstinenzlobby möchte den Alkoholkonsum der Kanadier stark einschränken, obwohl es für ihr Anliegen keine eindeutigen Beweise gibt.
Sollten den Kanadiern Richtlinien zur Verfügung gestellt werden, um sicherzustellen, dass Alkoholkonsumenten verstehen, welcher Alkoholkonsum ein geringes Risiko darstellt? Auf jeden Fall.
Doch sollten diese Richtlinien auf klaren Beweisen und nicht auf Panikmache beruhen.
Im Jahr 2023 empfahl das Canadian Centre on Substance Use and Addiction (CCSA) kontrovers, den Alkoholkonsum auf nur zwei Drinks pro Woche zu beschränken.
Diese Empfehlung erregte die Aufmerksamkeit der internationalen Medien. Viele merkten an, dass die Leitlinien eher auf handverlesenen Daten als auf fundierter Wissenschaft beruhten.
Glücklicherweise hat sich die Bundesregierung dazu entschieden, die Empfehlung von zwei alkoholischen Getränken pro Woche nicht zu übernehmen.
Eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung der Zwei-Getränke-Empfehlung spielte Dr. Tim Naimi, Mitwirkender an den Leitlinien der CCSA. Naimi hat versucht, auch in den USA ähnliche Richtlinien durchzusetzen – allerdings ohne Erfolg. Reuters berichtete hingegen kürzlich, dass die US-Richtlinien wahrscheinlich die langjährige Empfehlung zur täglichen Alkoholbegrenzung zugunsten einer allgemeinen Aufforderung zur Mäßigung aufgeben werden.
Dies muss noch offiziell bestätigt werden, deutet aber darauf hin, dass sich das Land mit dem größten Einfluss auf die globale Gesundheitspolitik vom Einfluss der Abstinenzlobby abkoppelt und stattdessen einen vernünftigen allgemeinen Aufruf zur Mäßigung plant.
Schon jetzt ist der amerikanische Ansatz zur Alkoholkontrolle viel vernünftiger als die Forderung der Abstinenzlerlobby nach zwei Drinks pro Woche hier in Kanada. Die US-Richtlinien definieren moderaten Alkoholkonsum derzeit als bis zu einem Drink pro Tag für Frauen und zwei Drinks pro Tag für Männer – also sieben bis 14 Drinks pro Woche.
Die aktuellen US-Richtlinien berücksichtigen zumindest die Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die sich größtenteils auf Gewichtsunterschiede konzentrieren. Mäßiger Alkoholkonsum für einen 113 kg schweren Mann unterscheidet sich stark vom moderaten Alkoholkonsum einer 50 kg schweren Frau.
Doch die aktuellen US-Richtlinien lassen noch viel zu wünschen übrig. Selbst innerhalb der Geschlechter gibt es große Unterschiede in der Körpergröße und damit auch in der Toleranz. Auch die Familiengeschichte spielt eine Rolle. Deshalb sind die Berichte, dass die US-Richtlinien künftig nicht mehr nur eine bestimmte Anzahl an Getränken empfehlen, sondern allgemein zu Mäßigung raten, vielversprechend: Mäßigung ist für jeden Menschen anders und sollte auch so behandelt werden.
Hier in Kanada scheint es jedoch eine Bewegung in die entgegengesetzte Richtung zu geben.
Obwohl sich die kanadische Regierung gegen die Zwei-Getränke-Empfehlung entschieden hat, treibt Senator Patrick Brazeau im Senat Gesetzesentwürfe zur Alkoholfreiheit voran, die Warnhinweise auf den Etiketten vorschreiben und neue Beschränkungen für die Alkoholvermarktung einführen würden – basierend auf den Empfehlungen aus demselben Dokument, das auch die Zwei-Getränke-Empfehlung enthielt.
Die Kanadier sollten sich fragen, ob sie in einem Land leben wollen, in dem die Abstinenzlobby dazu beiträgt, Kanada immer mehr in Richtung eines Wohlfahrtsstaates zu treiben. Oder sollten sie stattdessen allgemeine Empfehlungen zur Mäßigung aussprechen und darauf vertrauen, dass die Kanadier selbst die richtigen Entscheidungen treffen?
Offensichtlich sollte sich die Botschaft der Mäßigung durchsetzen. Dies gilt insbesondere, da einige Studien gezeigt haben, dass moderater Alkoholkonsum positive Auswirkungen hat. Von Experten begutachtete Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen, die mäßig Alkohol konsumieren – in der Regel ein bis zwei Drinks pro Tag – eine niedrigere Sterblichkeitsrate aufweisen als Menschen, die vollständig auf Alkohol verzichten.
Ja, es ist sinnvoll, allgemeine Richtlinien zur Mäßigung anzubieten. Es hat sich jedoch gezeigt, dass moderater Alkoholkonsum positive Auswirkungen hat.
Die Zwei-Gläser-pro-Woche-Regel würde bedeuten, dass man an vier Abenden pro Woche zum Abendessen ein Glas Wein trinkt und riskant Alkohol konsumiert. Das wäre irreführend und kontraproduktiv.
Kanadier haben Anspruch auf Ausgewogenheit in der Gesundheitspolitik. Risiken sind nicht eindeutig – und das gilt auch für die öffentliche Gesundheitspolitik in Bezug auf Alkoholkonsum.
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